Beziehungen zu Kindern und Eltern noch mehr stärken

Der neue CAS der PHBern, der im Herbst 2024 startet, verleiht den Teilnehmenden mehr Sicherheit bei der kompetenzorientierten Beurteilung. Nicht zuletzt wird mit dieser Praxis auch die Beziehung der Lehrpersonen zu Kindern und Eltern gestärkt.
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Lehrpersonen, die mit kompetenzorientierter Beurteilung arbeiten, berichten, dass ihre Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern besser und intensiver geworden sei. Warum? Weil diese Methode zu mehr Austausch über die Inhalte von Lernzielen und -prozessen führt. Dabei findet eine Art Pingpongspiel zwischen Lehrperson und Schülerinnen und Schülern statt. Diese erfahren durch regelmässige Rückmeldungen, was sie schon können und wo noch mehr Lernbedarf besteht. Nicht nur die Kinder sind dadurch stärker in die Beurteilung einbezogen, auch die Eltern erfahren dank aussagekräftigen Beschreibungen mehr über die Lernfortschritte und den Lernstand ihrer Kinder. Durch den intensiveren Austausch stärkt sich auch die Beziehung zwischen Lehrpersonen und Eltern und schafft nicht zuletzt Vertrauen.

Hantelfiguren zeigen Lernfortschritt an

Eine Schule, die kompetenzorientiert beurteilt, ist die Primarschule St. Stephan im Obersimmental. Leonie Aschwanden unterrichtet im Teamteaching und mit Unterstützung einer Klassenhilfe eine 4.– 6. Klasse von 40 Schülerinnen und Schülern. Wegen Lehrpersonenmangels richtete sich 2022 die ganze Schule neu aus. Dazu gehört auch das neue Beurteilungskonzept, das während des Schuljahres ohne Noten auskommt und kompetenzbasiert funktioniert. Die obligatorischen Noten ab der 4. Klasse werden nur noch am Ende des Schuljahres gesetzt. Der Vorteil davon steht für Leonie Aschwanden ausser Frage: "Weil die Kinder viel genauer wissen, was sie bereits können, und aussagekräftige Rückmeldungen erhalten, sind sie selbst motivierter zum Weiterlernen." Dabei hat sich ihre Rolle verändert – sie ist mehr Coach als reine Lehrperson, und das gefällt ihr. Wie geht eine solche Beurteilung in der Praxis? "Mit farbigen Hantelmädchen und Hanteljungs, die ihre Hantel immer höher stemmen, wenn sie stärker werden; also mehr können. Begleitet von einer schriftlichen Rückmeldung und der Selbsteinschätzung der Kinder", erklärt Leonie Aschwanden lächelnd. Die Kriterien und Lernziele sind in Textform ausformuliert und stehen bei jeder Figur dabei.

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Leonie Aschwanden, CAS Kompetenzorientiert Beurteilen

Leonie Aschwanden, Lehrerin in St. Stephan, findet beschreibende Beurteilungen aussagekräftiger und motivierender.

Im Herbst jeden Schuljahres legt sie die individuellen Ziele gemeinsam mit den Kindern fest und informiert die Eltern regelmässig. "Wichtig ist, dass man die Eltern von Anfang an ins Boot holt, vor allem, wenn es um den Übertritt in eine andere Stufe geht. Denn sie kennen das Kind noch besser", begründet die Lehrerin. Am Ende des Schuljahres kommen die Kinder mit einem Beurteilungsbericht nach Hause, begleitet von einer Sprachnachricht, die die Noten erläutert und die Stärken wie auch das Entwicklungspotenzial der Kinder offenlegt. Die Rückmeldungen der Eltern sind durchwegs positiv. Die Umstellung brauchte etwas Zeit und Mut, gibt Leonie Aschwanden zu. Ihre Empfehlung: "Tauscht euch aus mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Teilt eure Erfahrungen, auch wenn ihr nicht im gleichen Schulhaus seid." Nur so können sich das Verständnis und die Akzeptanz einer solchen Beurteilungspraxis verankern und die Bedenken aller Beteiligten abgeschwächt werden. Sie besucht momentan das Weiterbildungsmodul "Kompetenzorientiert Beurteilen ohne Noten" an der PHBern, das Teil des neuen CAS sein wird, und hat sich auch gleich für den gesamten Lehrgang angemeldet, um ihre Expertise weiterzuentwickeln.

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Hantelmädchen CAS kompetenzorientiert beurteilen quadrat

Quelle: IQES online | Lernkompass 

Raum für Diskussionen

Studienleiterin Regina Kuratle hält fest: "Die Teilnehmenden profitieren am meisten davon, dass sie sich vertieft mit dem komplexen Thema 'Beurteilen' auseinandersetzen. Das verleiht Sicherheit. Sie können sich bei Gruppenaufträgen ausserdem mit gleich gesinnten und hoch motivierten Kolleginnen und Kollegen austauschen." Im Lehrgang erhalten sie Raum für Diskussionen und Reflexionen, in denen auch Spannungsfelder der Beurteilung analysiert werden. Zum Beispiel könnten eine Beurteilung mit Kompetenzbeschreibungen und eine mit Noten verglichen werden. Beide nähmen im Schulsystem ihren Platz ein, ergänzt die Studienleiterin.

Die Module stützen sich einerseits auf wissenschaftliche Fakten, andererseits auf die Schulpraxis. Der Lehrgang, der aus acht Modulen besteht, die auch einzeln absolviert werden können, beschäftigt sich intensiv mit Themen wie formativer, summativer oder prognostischer Beurteilung. Darin lernen die Lehrpersonen beispielsweise verschiedene Beurteilungsinstrumente kennen und entwickeln ihre eigene Praxis weiter. Aber nicht nur das – ebenso wichtig sind Elemente wie die Kommunikation mit den Eltern, chancengerechte Beurteilungen in heterogenen Klassen oder Handlungsspielräume bei der Auslegung des Lehrplans 21.

Gewusst wie: Freiheiten nutzen

Die Schulen haben innerhalb der kantonalen Rahmenvorgaben relativ grosse Gestaltungsfreiheit bei der Beurteilung. "Ein gewisser Aufwand bei der kompetenzorientierten Beurteilung, beispielsweise für die Definition der Bewertungskriterien wie auch für die Dokumentation und die Kommunikation ist einzurechnen", räumt Regina Kuratle ein. "Die Lehrpersonen müssen sich gut überlegen, welche Lernziele sie verfolgen. Durch die Zusammenarbeit in Teams kann man wesentlich Zeit sparen und die Leistungserhebungen für mehrere Klassen nutzen. Die Lehrpersonen können den Mehraufwand zudem damit kompensieren, dass sie weniger summative Leistungserhebungen durchführen. Aussagekräftige Dokumentationen eignen sich zudem hervorragend für die prognostische Beurteilung bei einem Übertritt. Damit wissen die Kinder wie auch die Eltern sehr gut, wo sie stehen." Die Umstellung benötige etwas Zeit und gelinge am besten, wenn ein gesamtschulisches Konzept die Transformation unterstütze, so die Lehrgangsverantwortliche.

Transfer in die eigene Schule

Nach dem Abschluss sind die Teilnehmenden Beurteilungsexpertinnen und -experten. Regina Kuratle betont, wie wünschenswert ein Wissenstransfer ist. "Ein weiterer Nutzen des neuen CAS ist die Möglichkeit, das Gelernte an die Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben. Davon profitiert die ganze Schule."  

PS: Sie möchten sich zur Beurteilungsexpertin oder zum Beurteilungsexperten weiterentwickeln und Ihr Wissen und Können erweitern? Die erste Durchführung des Lehrgangs startet am 18. Oktober 2024. Ende April und Mitte Mai finden ausserdem Praxistreffs Beurteilen statt. Dort können Sie gemeinsam mit anderen Lehrpersonen Fragen und Ideen zur Beurteilung austauschen, diskutieren und weiterentwickeln.