Um Merkmale eines kompetenzorientierten Unterrichts einzulösen, wurde für die Planung der Unterrichtseinheit ein Phasenmodell in Anlehnung an die Modelle von Schoppe (2016) und Wilhelm et al. (2015) entwickelt.

Abb 1: Phasenmodell Unterricht Bildnerisches Gestalten PHBern

Die Unterrichtssequenzen und Aufgaben zum Thema Farbe und Malerei wurden wie folgt entlang dem Phasenmodell rhythmisiert.

Einstieg

In der Phase des Einstiegs wurden die Interessen der Schülerinnen und Schüler, die Lernvoraussetzungen im Umgang mit Farbe und Malerei, die bildnerische Entwicklung des farblichen Verhaltens (Reiss 1996; Dietl 2004; Glas 2016) sowie bisherige farbästhetische Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler (Oswald 2003) mit einer einführenden Aufgabe erfragt und erfasst. Initiiert wurde das Thema, indem die Schülerinnen und Schüler mit einer Problemstellung konfrontiert wurden. Erste Grundlagen waren so, noch ohne Differenzierungsmöglichkeiten, für alle gemeinsam gelegt. Wo möglich wurde eine Verknüpfung zu bereits vorhandenem Wissen und Können geschaffen und Perspektiven für das Kommende wurden eröffnet. Die Basis, die hier gelegt wurde, war der Schlüssel für eine längerfristige Lernmotivation und einen nachhaltigen Kompetenzerwerb.

Erarbeiten und Üben

In der Phase des Erarbeitens und Übens vollzogen sich für das Unterrichtsvorhaben wesentliche Lernprozesse. Aufgrund der in der Einstiegsphase erhobenen Lernvoraussetzungen wurden Erwartungen an die Kompetenzentwicklung formuliert und im gemeinsamen Dialog Aufgaben mit Differenzierungsmöglichkeiten und integrierten Lernhilfen entwickelt, die den unterschiedlichen Könnens- und Wissensstand der Schülerinnen und Schüler mit einbezogen und die situationsbezogen (vgl. Blömeke & Kaiser 2017), individuell und adaptiv im Unterricht eingesetzt werden konnten.

Dies ermöglichte den Lehrpersonen eine individuelle Prozessbegleitung, das Erkennen von zusätzlichem Übungsbedarf und die Möglichkeit allenfalls Akzente der Vertiefung anders zu setzen.

Mit Lernaufgaben wurden die Fachinhalte schrittweise, lehrgangmässig oder in offenen Lernformen wie Posten- oder Gruppenarbeiten erarbeitet. Initiiert durch bildnerische Fragestellungen wurde Vorstellungs-, Erinnerungs- und Beobachtungsvermögen u.a. durch Sammeln, Ordnen und Experimentieren geschult. Damit verbunden war auch der Aufbau von handwerklichen Fertigkeiten und gestalterischem Wissen und Können. Über den Einbezug von Kontexten zu anregenden Bildern und Materialien wurden Erkenntnisse vermittelt und der Fachwortschatz aufgebaut. Die Entwicklung eigener Bildideen durch bildnerische Fragen wurden im rezeptiven und produktiven Tun von den Lehrpersonen angeleitet.
Die Phase des Erarbeitens und Übens war von formativen Beurteilungsformen in Form von lernunterstützenden Impulsen, förderorientierten Rückmeldungen, Momenten des gegenseitigen sich Inspirierens, des Zeigens von Arbeiten und von Reflexionen (Eschelmüller 2007; Kirchner & Kirschenmann 2015; Kathke & Peez 2008) begleitet.

Die Lernprozesse und Produkte dieser Phase wurden systematisch von den Schülerinnen und Schülern im sogenannten Spurenheft protokolliert und dokumentiert. Im Austausch mit Mitschülerinnen und Mitschülern sowie mit der Lehrperson wurde das Spurenheft als dialogisches und kooperatives Instrument zum Erkennen der Arbeitsfortschritte und zum Sichtbarmachen der Kompetenzentwicklung genutzt (Peters & Inthoff 2016; Kirchner & Kirschenmann 2015, 196; Sabisch 2007). Die Fähigkeit der Lernenden, sich selbststeuernd über die Art und Weise des Lernens und den Stand der Lernfortschritte auch mittels ästhetischer Urteile Gewissheit zu verschaffen, spielt im kompetenzorientierten Fachunterricht (vgl. Adamina et al. 2015) eine wichtige Rolle.

Verknüpfung

In der Phase der Verknüpfung wurde als Integrationsaufgabe eine komplexere Aufgabe gestellt (Projekt Leinwandmalerei), bei der die Schülerinnen und Schüler auf die im vorangehenden Unterricht erworbenen Erfahrungen, Erkenntnisse und Fertigkeiten zurückgreifen konnten. Diese wurden angewendet und gefestigt und mit möglichst eigenständigen Fragestellungen, Bildideen und persönlichen Interessen aus dem individuellen Erlebnisbereich und der Alltagswelt verbunden. Mit der Integrationsaufgabe wurden Lernfortschritte, respektive die individuellen Kompetenzentwicklungen offengelegt und Lernergebnisse überprüft, indem Prozess und Produkt präsentiert und reflektiert wurden. Die Integrationsaufgabe sollte die Stärken und Interessen der Schülerinnen und Schüler fördern, individuelle Lernwege ermöglichen und nur noch wenig Lernunterstützung durch die Lehrperson erfordern. Mit dem bewusst initiierten Begleiten von Kompetenzentwicklungen ergab sich eine Fokussierung auf formative Beurteilungsformen, auf deren Basis summative Beurteilungskonzepte aufbauten (vgl. Lindström 2008). Die summative Beurteilung erfolgte kriterienorientiert entlang den für die gesamte Planung formulierten Kompetenzerwartungen (vgl. Aebersold & Junger 2019b und 2020). Um Transparenz bezüglich der Lernerwartungen zu schaffen, wurden die Kriterien in den aufbauenden Unterrichtsphasen entwickelt, an Beispielen diskutiert und später mit dem Auftrag der Integrationsaufgabe kommuniziert. Im Sinne von Feedbackkultur wurden Fremd- und Selbstbeurteilung mit einbezogen. 

Literatur

Adamina, M. et al. (2015). Kompetenzorientiert Unterrichten mit dem Lehrplan 21. Grundlagendokument zur Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Bern, Teil 2. PHBern und Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Online: https://www.erz.be.ch/erz/de/index/kindergarten_volksschule/kindergarte… [26.05.2020].

Aebersold, U. & Junger, S. (2020). E-Portal kompetenzorientierte, fachspezifische Unterrichtsentwicklung zum Fachbereich Bildnerisches Gestalten, Zyklen 2 & 3. Bern: PHBern. Online: https://phbern.ch/e-portal-kfue0 [26.05.2020].

Aebersold, U. & Junger, S. (2019b). Malend Bilder wagen. Farben erleben – mit Farben gestalten. Art Education Research, eJournal der SFKP (Schweizerische Fachgesellschaft für Kunstpädagogik) 16.

Blömeke, S. & Kaiser, G. (2017). Understanding the Development of Teachers' Professional Competencies as Personally, Situationally and Socially Determined. In D. J. Clandinin & J. Husu (Hrsg.), The SAGE Handbook of Research on Teacher Education, 783–802. London: SAGE Publications.

Dietl, M.-L. (2004). Kindermalerei. Zum Gebrauch der Farbe am Ende der Grundschulzeit. Münster: Waxmann.

Eschelmüller, M. (2007). Lerncoaching im Unterricht. Grundlagen und Umsetzungshilfen. Bern: Schulverlag.

Glas, A. (2016). Zwischen Disegno und Colore – Farbe in der Kinderzeichnung. IMAGO Zeitschrift für Kunstpädagogik 2, 31–43.

Kathke, P. & Peez, G. (2008). Pädagogische Leistungskultur. Ästhetik, Sport, Englisch, Arbeits-, Sozialverhalten. Heft 4: Ästhetische Bildung, Kunst. Frankfurt a. M.: Grundschulverband.

Kirchner, C. & Kirschenmann, J. (2015). Kunst unterrichten, Didaktische Grundlagen und schülerorientierte Vermittlung. Seelze: Klett Kallmeyer.

Lindström, L. (2008). Produkt- und Prozessbewertung schöpferischer Tätigkeit. In G. Peez (Hrsg.), Beurteilen und Bewerten im Kunstunterricht. Modelle und Unterrichtsbeispiele zur Leistungsmessung und Selbstbewertung, 144–158. Seelze: Kallmeyer.

Oswald, M. (2003). Aspekte der Farbwahrnehmung Bei Schülern im Alter zwischen 11 und 16 Jahre. Weimar: VDG.

Peters, M. & Inthoff, C. (2016). Kompetenzorientierung im Kunstunterricht. In B. Klüh (Hrsg.), Die Entwicklung kompetenzorientierten Unterrichts in Zusammenarbeit von Forschung und Schulpraxis. Komdif und der Hamburger Schulversuch alles»könner, 101–126. Münster: Waxmann.

Reiss, W. (1996). Kinderzeichnungen. Berlin: Neuwied.

Sabisch, A. (2007). Inszenierung der Suche. Vom Sichtbarwerden ästhetischer Erfahrung im Tagebuch. Entwurf einer wissenschaftskritischen Grafieforschung. Bielefeld: Transcript.

Schoppe, A. (2016). Aufgaben im Kunstunterricht. Zusammenwirken von Lern- und Diagnoseprozessen. Kunst und Unterricht 399/400, 13.

Wilhelm, M., Wespi, C., Luthiger, H. & Rehm, M. (2015). Lern- und Leistungsaufgaben richtig einsetzen – ein Prozessmodell. Naturwissenschaften im Unterricht Chemie 149, 9–16.

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