Didaktischer Kommentar

Relevanz und Übersicht

Im geschichtlichen Aspekt des NMG-Unterrichts auf der Mittelstufe (Zyklus 2) bildet die Epoche des Römischen Reiches ein zentrales Thema: Die tiefgreifende politische und kulturelle Veränderung hinterliess in Europa und im Mittelmeerraum Innovationen, welche in verschiedenster Hinsicht prägenden Charakter auch für die kulturelle Entwicklung des Gebietes der heutigen Schweiz hatte. Die Romanisierung der Kelten bedeutete das Ende einer Jahrhunderte langen, eigenständigen Kultur und Sprache, führte eine erstmals reichsübergreifende Verwaltung und verschriftlichte Sprache so wie eine hochentwickelte Bautätigkeit ein, deren „Spuren“ fortan Leitcharakter auch für die kommenden Kulturzeiten haben sollten. Die von der römischen Zivilisation überformte keltische Kultur wird als Gallo-Römisch bezeichnet.

Das IdeenSet „Gallo-Römische Zeit“ versteht sich als eine „Spurensuche“ in dieser spannenden, kulturellen Zeitenwende und erschliesst Schülerinnen und Schüler das Verständnis für diese grosse, länderübergreifende Hochkultur des Römischen Reiches.

Das Römische Helvetien fusst auf der Keltischen Kultur. Diese wird im IdeenSet mit einer speziellen Medienkiste vorgestellt und will den Lernenden aufzeigen, wie die Kelten als ebenfalls weitentwickelte Gesellschaft gelebt haben.

Die Germanen, eine nördlich der heutigen Schweiz lebende Völkergemeinschaft und für das Römische Imperium eine permanente Bedrohung, werden im IdeenSet ebenfalls vorgestellt und können anhand ausgewählter Medien im Unterricht integriert werden.

Kernpunkt des IdeenSets bildet das "Römer-Lexikon": Darin erhalten die Lernenden fundierte weiterführende Informationen zu zentralen Themen der Römischen Kultur. Das Lexikon eignet sich für verschiedene Lehr- und Lernformen und bietet vielfältige, mehrperspektivische Vertiefungsmöglichkeiten zu den Unterrichtsthemen.

Auf den Lexikonseiten veranschaulichen die Bildvergleiche „Früher – Heute“, wie nachhaltig sich viele Aspekte der Römischen Kultur bis heute tradiert haben, wo in der Gegenwart aber auch ganz neue hinzugekommen sind. Die wichtige Frage für Lernende nach Beständigkeit und Veränderung kann so neuartig erlebt und begriffen werden.

Vorstellungen und Vorkenntnisse

Lernende haben bezüglich der Kelten und Germanen weitestgehend wenig bis kein Vorwissen. Zum Vorverständnis der Römischen Epoche bedarf es einer „Ausleuchtung“ der keltischen Kultur: Diese Völkerstämme lebten über Jahrhunderte in ihren eigenständigen, hochentwickelten Gesellschaften, besassen weitumspannende Handelsbeziehungen und hatten Riten, Gebräuche und insbesondere Sprachen, welche auch  nach der Romanisierung lange nachwirkten und in einigen Teilen Europas immer noch gesprochen werden, so etwa in der Bretagne (F), in Grossbritannien und Irland. Das Keltenvolk der Helvetier bildete Anlass, unser Land bei der Staatsgründung der Schweiz 1848 als Confoederatio Helvetica (CH) zu taufen!

Die Germanen sind den Lernenden ebenfalls kaum ein Begriff. Hier gilt es, diese am Rande des Römischen Reiches lebende Völkergemeinschaft gleichermassen vorzustellen, weil sie für die Römer als praktisch unbezwingbar galten. Sie bedeuteten eine permanente Bedrohung an der nördlichen Aussengrenze des Reiches und nahmen letztlich auch beim Zusammenbruch des Römischen Imperiums eine zentrale Rolle ein. Dass die Germanen namensgebend für „Germania“ - dem heutigen Deutschland - sind, darf den Lernenden dabei auch bewusst werden.

Die gelegentlich bereits stark verankerten Vorstellungen resp. Präkonzepte der Lernenden zum Thema "Römer" entstammen aus Kinderbüchern (Comics) und Filmen wie Asterix und Obelix und möglicherweise auch von Besuchen römischer Ruinen und Museen. Dieses bereits vorhandene „Wissen“ gilt es aufzugreifen, zu präzisieren und stufengerecht auszubauen. 

Lerngegenstand und thematische Schwerpunkte

Römer

Die Lernenden folgen der Spur der römischen Kultur. Sie begreifen geschichtliche Zusammenhänge. Die Lernenden setzen sich mit verschiedenen Aspekten (z.B. Alltag, Bauwerke, Gesellschaftliche Ordnung, Militär usw.) der römischen Kultur auseinander und adaptieren ihre Erkenntnisse auf ihr heutiges Leben. Der Archäologiekoffer und das Römerlexikon bilden die zentralen Bestandteile des Themenschwerpunktes "Römer". Diese Bereiche tragen dazu bei, digitales mit analogem Lernen zu verbinden.

Kelten

Zum Verständnis der Römischen Epoche ist es notwendig, eine Verbindung zur Keltischen Kultur herzustellen. Um dies zu ermöglichen, ist im IdeenSet das "Kelten-Experiment" aufgeführt. Die Lernenden können unter anderem folgenden Fragen nachgehen: Wer waren die Kelten? Welche zivilisatorischen Merkmale sind feststellbar? Wo lebten die Keltischen Stämme? Wie wurden diese verwaltet und regiert?

Germanen

Die nordöstliche Grenze des Römischen Reiches stiess an das Gebiet der Germanischen Völker. Diese besiedelten weite Teile Nordeuropas. In den Grenzregionen fanden immer wieder kriegerische Konflikte statt. Die Römer waren daher gezwungen, die Grenzen entsprechend zu sichern und errichteten sogar einen Schutzwall, den Limes. Die Germanen wurden nie romanisiert und bewahrten über Jahrhunderte ihre kulturelle Eigenständigkeit.

Organisation und Beurteilung

Einführung

Empfehlenswert ist eine Auslegeordnung über das vorhandene Wissen der Lernenden zum Thema (Präkonzepterhebung). Dabei ist es sinnvoll, die Epoche der Römischen Kultur mit ihren Eigen- und Besonderheiten auf einem Zeitstrahl zu verorten. Hier eignet sich eine erste „Auslegung“ von originalen archäologischen Funden aus dem Archäologiekoffer und von ausgewählten Bildern des Römer-Lexikons.

Vorgehen

Didaktische Phase * Aufgaben
Explorieren Empfehlenswert ist eine erste „Auslegeordnung“ über das vorhandene Wissen der Lernenden zum Thema (Präkonzepterhebung). Dabei ist es sinnvoll, die Epoche der Gallo-Römischen Kultur mit ihren Eigen- und Besonderheiten auf einem Zeitstrahl zu verorten. Hier eignen sich auch der Einbezug von originalen, archäologischen Funden aus dem Archäologiekoffer und einer repräsentativen Auswahl von (ausgedruckten) Bildern des Römer-Lexikons.

Erarbeiten

 

Die Schülerinnen und Schüler können das Thema "Gallo-Römische Zeit" auf verschiedenen Lernwegen erarbeiten. Sie befassen sich beispielsweise mit dem Fachgebiet der Archäologie, stellen eigene Fragen zu spezifischen Themen aus Leben und Alltag und vergleichen diese mit anderen Kulturen aus anderen Epochen.

Die Originalfunde aus dem Archäologiekoffer bringen den Lernenden die Alltagsgeschichte näher und lassen sie in diese Epoche eintauchen. Bezüge zu heute können damit mehrperspektivisch und plausibel hergestellt werden. Auch wird der Bezug zur Archäologie hergestellt und es wird verständlich, wie Geschichte rekonstruiert wird.

Einen weiteren Kernpunkt des IdeenSets stellt das Römer-Lexikon dar. Darin erhalten Schülerinnen und Schüler fundierte Informationen zu zentralen Themen der Römischen Kultur. Das Lexikon eignet sich für verschiedene Lehr- und Lernformen und bietet vielfältige, mehrperspektivische Vertiefungsmöglichkeiten zu den Unterrichtsthemen.

Es ist empfehlenswert, dass sich die Lernenden in einem ersten Schritt eigene Fragen zur Römischen Kultur stellen und diese in einem zweiten Schritt anhand des Lexikons (und allenfalls anhand der Gegenstände und Beschreibungen aus dem Archäologiekoffer) selbstständig beantworten. Die Schüler*innen lernen so einfache und komplexe Fragen zu stellen und finden als „Forschende“ darauf auch Antworten. Die Antworten gilt es aufzubereiten und in eine präsentierbare Form zu bringen (z.B. Hefteintrag mit Zeichnungen und Text).

Zu jedem Lexikoneintrag gibt es zudem passende Forschungsfragen. Diese können als Inspiration für weiterführende Recherchen genutzt werden. Fragen und Antworten können z.B. in einem Forschertagebuch zusammengetragen werden. Erkenntnisse werden regelmässig im Klassenverband oder in Gruppen ausgetauscht.

Üben und Vertiefen Um neben der römischen auch die keltische und germanische Kultur kennenzulernen, eignen sich die im IdeenSet verlinkten Materialien. Mithilfe der untenstehenden Themen können Aspekte der verschiedenen Kulturen festgehalten und miteinander verglichen werden.
 
Anwenden

Anhand des Lexikons, der Medienkiste und des Archäologiekoffers können die Lernenden in Individual- oder Gruppenarbeiten ausgewählte Themen (siehe anschliessende Liste) vertieft aufarbeiten. Diese werden anschliessend in passender Form präsentiert (Poster, Vortrag, Gruppengespräch u. a.).

Mit den Schieb-Bildern im Römer-Lexikon können die Lernenden zudem sehr gut Bezüge von heute zur Epoche der Römischen Kultur herstellen und diese vergleichen und kontextualisieren. Die wichtige Frage für Lernende nach Beständigkeit und Veränderung kann so neuartig erlebt und begriffen werden. Die Schüler*innen lernen, sich mit dem Zeitkonzept auseinanderzusetzen und so Alltagsleben und Religiosität, Bauten und Einrichtungen so wie ethisch/moralische Auffassungen zeitabhängig wahrzunehmen.

Übertragen

 

* Die didaktischen Phasen basieren auf dem Modell kompetenzfördernder Aufgabensets nach Kalcsics & Wilhelm, 2017.

Kompetenzerwartungen Lehrplan 21: NMG 9.1, NMG 9.2, NMG 9.3, NMG 8.3

Beurteilung

Es bietet sich an, dass sich die Lernenden auf ausgewählte Themen spezialisieren. Sie erkunden die  entsprechenden Hinweise im Römerlexikon und stellen weiterführende Recherchen in Büchern, Videos oder dem Internet an. Als Expertinnen und Experten des Themas geben sie ihr Wissen den anderen Lernenden weiter, z.B. in Form eines Plakats, einer Präsentation oder gar einer selbst gestalteten Webseite.

Mögliche Themen und Aspekte zur Römischen Kultur

Gesellschaftliche Ordnung / Hierarchie

 

  • Kaisertum / Verwaltung des Römischen Reiches / Res Publica
  • Kaiserkult / Vergötterung
  • soziale Bevölkerungsstrukturen: Freie Bürgerinnen und Bürger mit ihren Kindern,
  • Sklavinnen und Sklaven

Militär / Legionärswesen

 

  • Legion / Legionär, Armeen zur Sicherung und Erweiterung des Römischen Reiches
  • Galeeren und Schiffschlachten
Alltag, Arbeit, Kulturelles
  • Lebensalltag in einer römischen Provinzstadt / auf einem römischen Gutshof
  • Lebensalltag einer römischen Familie
  • spezielle Tätigkeiten / Berufe
  • Kleidung, Schrift, Schrifttafel, Münzen, Essgeschirr (Terra Sigillata), Gefässe (Amphoren), Öllampe
  • Essgewohnheiten, Ernährung
  • Erziehung
  • Unterhaltung: Theater, Arena (Gladiatoren) und Wagenrennen
Handel und Transport
  • Handel mit Gütern
  • Transport und Transportwege, Strassenbau, Strassennetz und Leugensteine (Meilensteine)
  • Handelsschiff
Glaube und Religion
  • Götter*innenwelt und Glauben
  • Laren (Hausgottheiten)

Typische Bauwerke

 

  • Aufbau / Haustypen: Villa, Mietskaserne
  • Grossbauernhof (Villa Rustica)
  • Tempel, Arena, Theater, Thermen, Forum, Curia, Aquädukt, Triumphbogen
  • Befestigungen: Stadtmauern, Limes
Typische Merkmale der römischen Architektur
  • 4-Säulen-Ordnungen und ihre Kapitelle: Dorisch, Ionisch, Korinthisch,
  • Kompositkapitell, typische Dekorationselemente wie z.B. Mäander, Würfelfries, laufender Hund, Eierstab
  • Kunst der Mosaiken und Anwendung der Ornamentformen

Weiterführende Hinweise

Lehrmittel "RaumZeit - Raumreise und Zeitreise"

Das Lehrmittel "RaumZeit" (Schulverlag plus) thematisiert im Kapitel "In frühen Zeiten - Wie Menschen lebten" u.a. die Römische Kultur und bettet diese in den historischen Ablauf ein. Die kulturellen Eigenheiten werden mit den Eigenheiten anderer Kulturen aus unterschiedlichen Epochen verglichen. Neben Zusammenleben und alltäglichen Tätigkeiten werden u.a. auch Werkzeuge und Verfahren zusammengetragen, analysiert und eingeordnet. Der Auftrag auf Seite "KM69a" bietet sich an, um anhand der Medienkiste, des Archäologiekoffers und des Römer-Lexikons ein ausgewähltes Thema aus der Gallo-Römischen Zeit zu vertiefen, aufzuarbeiten und zu präsentieren.

Archäologiekoffer „Archäologische Objekte aus Gallo-Römischer Zeit im Kanton Bern“

Vor Ort, das heisst direkt im Klassenzimmer, ermöglicht der vom Archäologischen Dienst des Kantons Bern und der PH Bern realisierte Archäologiekoffer eine erste, direkte Begegnung mit Originalen aus der Gallo-Römischen Zeit: Er umfasst eine wertvolle Zusammenstellung von archäologischen Originalen und einigen Kopien zu Alltagsthemen der Römerzeit. Die Lernenden erhalten hier Gelegenheit, echte Fundgegenstände in die Hände zu nehmen und diese wortwörtlich zu „begreifen“. Umfassende, weiterführende Materialien zuhanden der Lehrpersonen und Kopiervorlagen für den Unterricht liegen bei.

Exkursionen zu archäologischen Stätten aus Gallo-Römischer Zeit

Originale Begegnungen „vor Ort“ sind äusserst sinnvolle Ergänzungen, können doch die vorhandenen Medien nie die erlebte Intensität beim Besuch eines Originals ersetzen. So empfehlen wir Besuche von erhaltenen gallo-römischen Anlagen wie z.B. das Theater und die Thermenanlage auf der Engehalbinsel bei Bern, den Tempelkomplex bei Studen Petinesca, die sehr gut erhaltenen Ruinen von Avenches / AVENTICUM, der ehemaligen Hauptstadt Helvetiens: Amphitheater, Theater, Cigogniertempel, Thermen und Stadtmauer mit Toranlage und Wachtturm so das Museum mit hervorragender Ausstellung (AVENTICUM).

Nicht weit von Avenches entfernt liegt das über original erhaltenen Resten einer römischen Villa errichtete Museum von Vallon: Hier liegen bedeutende Mosaikfussböden in situ. Das Museum bietet einen sehr guten Einblick in das Leben eines herrschaftlichen Gutshofs.

Hochinteressant ist ebenfalls die didaktisch gut erschlossene Römerstadt von Augusta Raurica mit rekonstruierter Römervilla bei Basel.
Besonders empfehlenswert ist auch der Besuch der permanenten Ausstellung über die Kelten und Römer im Bernischen Historischen Museum. Hier finden sich einige der repräsentativsten Funde aus dem Kantonsgebiet.