Neue Erkenntnisse zu Ganztagesschulen in Bern

Eine mehrjährige Begleitstudie der PHBern untersuchte seit 2019 vier Berner Ganztagesschulen in der Einführungsphase. Die Studie zeigt, dass die Schulentwicklung zwar von der Schulleitung und Lehrpersonen engagiertes Handeln erfordert, sich dieses aber auch lohnt: Die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern bewerten das Konzept positiv. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in einem praxisorientierten Factsheet zusammengefasst.
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Die Bildungsstrategie 2016 der Stadt Bern verfolgt das Ziel, bis 2025 in jedem Schulkreis eine Ganztagesschule (GTS) einzurichten. Die Umsetzung dieser Strategie begann im Schuljahr 2018/2019. Das Schulamt der Stadt Bern beauftragte damals zudem ein Team von Forschenden aus dem Schwerpunktprogramm "Governance im System Schule" der PHBern damit, die Einführungsphase der ersten Ganztagesschule Stöckacker in einer Begleitstudie zu untersuchen. Der erste Bericht "Erfahrung Ganztagesschule" (2020) der Studie zeigte, dass die neue Organisationsform vor allem für Lehr- und Betreuungspersonen eine deutliche Veränderung in ihrem Arbeitsalltag mit sich bringt. Im Jahr 2020 wurden drei weitere Ganztagesschulen in der Stadt Bern eingeführt, und zugleich wurde das Forschungsprojekt "Erfahrung Ganztagesschule in der Stadt Bern – Phase 2" den Forschenden der PHBern in Auftrag gegeben. Der Fokus dieser zweiten Studie liegt auf den drei Ebenen des Wandels in Schulorganisationen: Strategie, Struktur und Kultur. Der zweite Bericht liegt nun vor und zeigt, dass die Schulentwicklung von der Schulleitung und Lehrpersonen engagiertes Handeln erfordert, sich dieses aber auch lohnt: Die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern bewerten das Konzept positiv.

Was sind Ganztagesschulen?

In der Schweiz gibt es heute verschiedene Formen der Betreuung, darunter Tagesschulen, Tagesstrukturen und Horte. Diese schul- und familienergänzenden Angebote sind freiwillig und funktionieren ausserhalb des obligatorischen Unterrichts.

Ganztagesschulen umfassen Bildungs- und Betreuungsformen, die Schülerinnen und Schülern ein ganztägiges, verpflichtendes Angebot bieten. Sie liegen im Zuständigkeitsbereich der Volksschule und unterstützen diese in ihrem Bildungsauftrag. Betreuungs- und Lehrpersonen arbeiten in einem Team zusammen.

Ganztagesschulen sind Lern- und Lebensraum

In Ganztagesschulen der Stadt Bern besuchen Schülerinnen und Schüler mindestens an drei fixen Tagen in der Woche die Ganztagesschule oder -klasse, essen gemeinsam mit ihrer Gruppe das Mittagessen und nutzen das ausserunterrichtliche Programm am Nachmittag bis 16 Uhr.

Der Unterricht und die Betreuung in Ganztagesschulen bilden eine organisatorische und pädagogische Einheit. Die Kinder und Jugendlichen verbringen ihren (Schul-)Alltag gemeinsam im Klassenverband, mit konstanten Bezugspersonen und in denselben Räumlichkeiten.

Vorgehen

Die Forschenden der PHBern dokumentierten in ihrer Begleitstudie die Veränderungen im Schulentwicklungsprozess an den drei Schulstandorten Spitalacker/Breitenrain, Bümpliz/Höhe und Breitfeld/Wankdorf über einen Zeitraum von zwei Jahren. Mit Fragebogen, Interviews und Gruppendiskussionen wurden Schülerinnen und Schüler, Eltern und Schulmitarbeitende regelmässig zu ihren Erfahrungen befragt. Die teilnehmende Beobachtung erlaubte Einblicke in den Alltag der Schülerinnen und Schüler sowie der Mitarbeitenden von Ganztagesschulen. Zwei Transfertagungen ermöglichten den Mitarbeitenden den Austausch mit den Forschenden und den Vertretungen der städtischen Behörde.

Erkenntnisse

Die Studie bestätigt, dass die Schulentwicklung hin zu einer GTS mit Veränderungen auf struktureller, strategischer und kultureller Ebene verbunden ist. Dieser Prozess erfordert von der Schulleitung und den Schulmitarbeitenden ein hohes Mass an Engagement. Ausserdem bieten Ganztagesschulen berufstätigen Eltern, die sich mehr schulische Betreuung wünschen, eine Entlastung.

Die drei zentralen Erkenntnisse:

Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich in der Ganztagesschule wohl und die Eltern schätzen das konstante Angebot.

Die Schülerinnen und Schüler, die an Ganztagesschulen teilnehmen, sowie deren Eltern zeigen hohe Zufriedenheit. Sie berichten von einem positiven Wohlbefinden in der Klasse und erlebten positive soziale Interaktionen. Diese Einschätzung bleibt über die Zeit konstant und ist mit der Regelschule vergleichbar. Eltern schätzen vor allem die verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die vereinfachte Kommunikation, da es nur noch eine Ansprechperson für Bildung und Betreuung gibt.

Die Aufgaben von Lehr- und Betreuungspersonen in Ganztagesschulen sind nicht grundsätzlich anders als in der Regelklasse und Tagesschule.

Lehr- und Betreuungspersonen in Ganztagesschulen arbeiten oft in ihren angestammten professionellen Domänen: in schulpädagogisch strukturiertem Unterricht oder in der sozialpädagogischen Gestaltung des Mittags- oder Nachmittagsangebots. Die Schulleitung kann durch gezielte Einsatzplanung der Mitarbeitenden und Teamentwicklung steuern, wie stark die beiden professionellen Bereiche inhaltlich und strukturell miteinander verbunden sind. So kann multiprofessionelle Kooperation entstehen, die sich auf ein gemeinsames Angebot bezieht.

Der Aufbau einer Ganztagesstruktur ist kein linearer Prozess und erfordert Zeit.

Die Entwicklung neuer Möglichkeiten zur Verbindung von Unterricht und Betreuung verläuft nicht immer geradlinig und wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu zählen beispielsweise die Zusammenarbeit im Team, Personalfluktuationen, sich ändernde Rahmenbedingungen und veränderte Klassenkonstellationen. Wie sich die Ganztagesschule in einer Gemeinde oder einem Schulkreis entwickeln kann, hängt von klaren Strukturen und konstanten Rahmenbedingungen ab.

Factsheet "Diskussion zu Ganztagesschulen"

Die Erkenntnisse aus beiden Studien bilden die Grundlage für das neue Factsheet: "Diskussion zu Ganztagesschulen". Das Factsheet ist speziell für Schulleitende und Bildungsbehörden konzipiert und gibt praxisnahe Einblicke, wie eine Ganztagesschule erfolgreich eingeführt werden kann.

 

Hier finden Sie spezifische Forschungsinhalte zu Ganztagesschulen.

 

Bildung schafft Chancen – dafür setzen sich die Forschenden der PHBern ein.

Das Institut für Forschung, Entwicklung und Evaluation der PHBern versteht hochwertige Bildung als wichtigste individuelle und gesellschaftliche Ressource. Mit exzellenter Forschung, gezielter Nachwuchsförderung und einem offenen Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen leisten die Forschenden der PHBern einen entscheidenden Beitrag für eine chancengerechte und inklusive Bildung.