Die PHBern vermittelt Grundlagenwissen

Unterrichten ohne Lehrdiplom: Melissa Graber und Nadja Berther sind das Wagnis eingegangen. Die Weiterbildungsangebote der PHBern haben ihnen geholfen, in den Schulbetrieb einzusteigen.
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Der Volksschule fehlen ausgebildete Lehrpersonen. Die Lücke schliessen einerseits Studierende der PHBern: Rund 1500 Personen arbeiten bereits fix an einer Schule oder übernehmen Stellvertretungen. Andererseits unterrichten immer mehr Personen ohne Lehrdiplom. So Nadja Berther (52), gelernte Kauffrau und Kleinkindererzieherin: Seit einem Jahr ist sie im Zyklus 1 in Lauterbrunnen tätig. Oder Melissa Graber (32): Sie hat Geografie und Englisch studiert und unterrichtet seit August im Zyklus 2 in Ringgenberg. Beide wollen sich gezielt weiterbilden und haben sich auch schon mit der Frage befasst, später zu studieren.

Wieso haben Sie sich entschieden, an der Volksschule zu unterrichten?

Nadja Berther: Eine Kollegin, die auch Kleinkindererzieherin ist, unterrichtet seit Längerem an einer Schule. Sie hat mich neugierig gemacht. Also ging ich ein paar Tage schnuppern – und nun unterrichte ich selbst seit über einem Jahr.

Melissa Graber: Die Arbeit als Geografin ist spannend, aber überaus computerlastig. Ich hatte den Wunsch, vermehrt mit Menschen zu arbeiten. Hinzu kam, dass mich der Lehrberuf schon immer interessiert hat.

Mut zur Lücke

Ohne Lehrdiplom unterrichten: Das braucht Mumm. Nadja Berther bezeichnet den Einstieg als „happig“. Man müsse zu Beginn an zahlreichen Gesprächen teilnehmen und viel Neues aufnehmen. Lesen, lesen, lesen laute die Devise. Trotz intensiver Vorbereitung sei sie mit vielen Unsicherheiten gestartet. Da brauche es zuweilen den Mut zur Lücke. Nach einem Jahr habe sie jedoch an Sicherheit gewonnen – auch dank der Weiterbildungsangebote der PHBern, der Mentorin und des Kollegiums. Seit dem neuen Schuljahr wirkt Nadja Berther auch als Co-Klassenlehrperson mit.

Melissa Graber ist im August 2023 gestartet – und dies gleich als Klassenlehrperson. Auch sie hat sich intensiv vorbereitet: durch Selbststudium und mit den Weiterbildungsangeboten der PHBern. Zudem stand sie lange vor ihrem ersten Schultag in regem und wertvollem Austausch mit dem Kollegium. Die Vorbereitungszeit sei intensiv gewesen, weil sie bis Juni Vollzeit als Geografin gearbeitet habe. Melissa Graber ist froh, dass ihr zu Beginn ihrer Unterrichtstätigkeit eine Mentorin und eine Klassenhilfe zur Seite stehen.

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Nadja Berther Sommer Camp

Nadja Berther ist seit dem neuen Schuljahr auch Co-Klassenlehrperson.

Weiterbildung motiviert

An der PHBern haben Melissa Graber und Nadja Berther den Einführungs- und den Aufbaukurs (Bausteine 1 + 2, siehe Box) für Unterrichtende ohne adäquate pädagogische Ausbildung absolviert. Ersterer führt in die Grundlagen des Unterrichtens ein, Letzterer thematisiert die Perspektive der Schülerinnen und Schüler. Beide Kurse werden in der Regel online angeboten, im Juli fanden sie im Rahmen eines Sommer Camps erstmals vor Ort statt. 36 Dozierende unterrichteten 130 Teilnehmende. Mit dabei Melissa Graber und Nadja Berther.

Wie haben Sie das Sommer Camp erlebt?

Melissa Graber: Meine Erwartungen wurden übertroffen. Die Dozierenden waren hervorragend und haben sich viel Zeit für unsere Fragen genommen. Das war sehr motivierend.
Nadja Berther: Das sehe ich genauso. Die Dozierenden waren mit Leidenschaft dabei und haben uns nie den Eindruck vermittelt, wir seien bloss Lückenbüsser im System.

Sie haben Baustein 1 online absolviert, Baustein 2 im Sommer Camp. Was hat Ihnen besser gefallen?

Nadja Berther: Im Sommer Camp sass ich nach langer Zeit wieder mal auf der Schulbank. Dieser Perspektivenwechsel hat mich für die Situation der Schülerinnen und Schüler sensibilisiert und mir bewusst gemacht, wie wichtig die Rolle der Lehrperson ist.

Melissa Graber: Der Austausch unter den Teilnehmenden war intensiver als im Online-Kurs. Auch in den Pausen wurde rege diskutiert. Das Online-Angebot hatte jedoch den Vorteil, dass ich mich vorher mit meiner neuen Aufgabe befassen konnte – also nicht erst im Juli, kurz vor meinem ersten Unterrichtseinsatz.

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Kursteilnehmerin am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen

Am Sommer Camp nutzt Melissa Graber die Pause zum Austausch mit Andrea Meuli von der PHBern.
Bild: Gino Knöpfel

Kollegien entlasten

Andrea Meuli vom Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der PHBern ist für die Weiterbildungsangebote für Unterrichtende ohne Lehrdiplom verantwortlich. „Wir wollen sie gut auf ihre Aufgabe vorbereiten – um zu verhindern, dass sie scheitern, und weil jede besuchte Weiterbildung den Schülerinnen und Schülern zugute kommt.“ Die PHBern entlaste damit die Kollegien und Schulleitungen. „Wir vermitteln erstes Grundlagenwissen und beantworten die häufigsten Fragen.“ Meuli wünscht sich, dass alle Schulen ihre Unterrichtenden ohne Lehrdiplom mindestens zum Besuch der beiden Bausteine ermuntern. Auch die ordentlichen Weiterbildungsangebote der PHBern stehen Unterrichtenden ohne Lehrdiplom offen.

 

Engagement gegen Lehrpersonenmangel

Die PHBern unterstützt Unterrichtende ohne adäquate pädagogische Ausbildung, die neu oder seit einiger Zeit an einer Schule unterrichten, mit verschiedenen Weiterbildungsangeboten. Dazu gehören der Einführungs- und der Aufbaukurs (Bausteine 1 + 2). Auch für Wiedereinsteigerinnen und Unterrichtende ohne adäquate pädagogische Ausbildung (Coachings und diverse Austauschgefässe) sowie für Lehrpersonen mit ausländischem Lehrdiplom (neuer CAS-Lehrgang) bietet die PHBern zielgruppenspezifische Weiterbildungen an.

Weitere Informationen

Nutzen Sie weitere Bildungsangebote der PHBern?

Nadja Berther: Ich habe die „Planungs- und Orientierungswoche“ sowie die Einführung „Mathwelt 1“ besucht, die sich an Berufseinsteigende richten. Bei Angeboten, die sich auch an diplomierte Lehrpersonen richten, kann ich viel von deren Erfahrung profitieren. Allerdings habe ich vor diesen Kursen auch Respekt. Ich frage mich jeweils: Kann ich da mithalten?

Melissa Graber: Ich werde sicher noch den Kurs für die Vorbereitung des Musikunterrichts besuchen. Zudem werde ich den Jahreskurs für Unterrichtende ohne Lehrdiplom der NMS Bern absolvieren.

 

Für Andrea Meuli ist klar: Alle Weiterbildung ersetzt kein Studium. Die PHBern versucht daher, Unterrichtende ohne adäquate pädagogische Ausbildung für ein Studium zu gewinnen – durch Gespräche, aber auch indem sie am Institut Primarstufe einige Studienmodule für diese Zielgruppe geöffnet hat. Wer ein solches Modul abschliesst, kann es sich einem späteren Studium anrechnen lassen.

Können Sie sich vorstellen, das Lehrdiplom zu machen?

Melissa Graber: Ja. Allerdings wird das für mich nur im Teilzeitstudium möglich sein. Ich kann nicht drei Jahre ohne Einkommen leben. Vorerst will ich mich aber darauf konzentrieren, an der Schule anzukommen.

Nadja Berther: In jüngeren Jahren hätte ich wohl studiert. Heute habe ich drei Kinder im Jugendalter. Das ändert die Ausgangslage. Ich werde mich jedoch anhand der Angebote der PHBern gezielt weiterbilden.