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Relevanz und Übersicht

Das zentrale Thema des IdeenSets „Spielerische Sprachförderung“ stellt die Wortschatzförderung dar. Der Wortschatz einer Person ist zentral für die Entwicklung der kognitiven und kommunikativen Kompetenzen (Ulrich, 2010, 33). Daher ist eine frühe Wortschatzförderung im Unterricht eine zentrale Aufgabe. Die Wortschatzarbeit sollte sich an der kindlichen Entwicklung und am kindlichen Interesse orientieren (Reber & Schönauer-Schneider, 2009, 104). Gerade für jüngere Schülerinnen und Schüler kann eine spielerische Auseinandersetzung mit einem Thema sehr motivierend sein. Reber & Schönauer-Schneider (2009, 101) empfehlen daher, Begriffe in thematisch geeignete Rollenspiele oder in bekannte Regelspielformate zu integrieren. Mithilfe des IdeenSets kann eine vielseitige Wortschatzförderung gestaltet und in heterogenen Lerngruppen umgesetzt werden.

Sprach- und Wortschatzerwerb

Das IdeenSet stützt sich auf zwei zentrale Spracherwerbstheorien. Die kognitiven Theorien betrachten den Spracherwerb als Ergebnis der kognitiven Entwicklung. Sozial- interaktive Theorien wiederum gehen davon aus, „(...) dass Sprachmuster direkt aus zuvor erworbenen sozial-kommunikativen Mustern entstehen“ (Grimm & Weinert, 2002, 539). Bezogen auf das IdeenSet bedeutet dies, dass Medien ausgewählt wurden, welche einen sozialen Austausch ermöglichen und den kognitiven Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen.

Wortschatz
Im Bereich des Wortschatzes sind grundsätzlich zwei Begriffe zentral. Es wird von Mitteilungswortschatz gesprochen, wenn die produktive Sprachverwendung, also Sprechen und Schreiben, gemeint ist. Geht es hingegen um die rezeptive Sprachverwendung, d.h. um das Verstehen von Gesprochenem und Geschriebenem, wird der Begriff Verstehenswortschatz gebraucht. Wörter können vom Verstehenswortschatz in den Mitteilungswortschatz übergehen und umgekehrt (Kleinschmidt-Bräutigam, 2005, 4). Die traditionelle Unterteilung in einen «passiven» und «aktiven» Wortschatz ist missverständlich, da es sich bei Erwerb und Verwendung des rezeptiven Wortschatzes (früher passiver Wortschatz) auch um aktive Prozesse handelt.
Die Speicherung von Wortwissen erfolgt im mentalen Lexikon, einem Teil des Langzeitgedächtnisses (Dannenbauer 1997 zit. nach Reber & Schönauer-Schneider, 2009, 96).
Das mentale Lexikon ist ein hoch organisiertes Netzwerk, in welchem zu jedem Eintrag Informationen zur Form (Lexem) und zum Inhalt (Lemma) gespeichert sind.

Zwei Ebenen-Modell des mentalen Lexikons

Abbildung 1: Zwei Ebenen Modell des mentales Lexikons nach Levelt (1989) (Glück, 2007, 3) 

Beispiel fahren
Abbildung 2: Modell eines Lexikoneintrags (Reber & Schönauer-Schneider, 2009, 96 in Anlehnung an Luger, 2006, 30)

Ein Wort kann umso besser und schneller abgerufen werden, je besser es vernetzt und je präsenter es im produktiven Wortschatz ist, d.h. je ausführlicher die gespeicherten Informationen im mentalen Lexikon sind (Reber & Schönauer-Schneider, 2009, 96).

Bedeutung der Sprechfreude für den Spracherwerb
Es gibt verschiedene Voraussetzungen, die für den Spracherwerb günstig sind (Danzer et al., 2007, 74; Wendtlandt, 2011, 11-12). Sehr förderlich für die Sprachentwicklung ist eine vielfältige Sprachanregung durch das soziale Umfeld (Wendtlandt, 2011, 18; Danzer et al., 2007, 50). Insbesondere die Sprechfreude wird durch die positive Zuwendung von Interaktionspartnerinnen und - partnern unterstützt und verstärkt (Wendlandt, 2011, 16). Hierbei ist vor allem die positive Rückmeldung auf Sprechversuche wichtig (Danzer et al., 2007, 75; Hellrung, 2003, 69). Die Kommunikationsfreude entwickelt sich, wenn Sprechversuche erfolgreich und zielführend sind (Wendtlandt, 2011, 16). Daher ist ein positiver Umgang mit Fehlern sehr hilfreich, d.h. Kommunikation soll ohne Angst vor Fehlern stattfinden (Wendlandt, 2011, 18). Dies kann dazu führen, dass Kinder sprechfreudig Kommunikation ausprobieren und sich dabei weiterentwickeln (Danzer et al., 2007, 54). Für Lehrpersonen ist es demnach zentral, Kinder in der Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit zu unterstützen und ihre Sprechfreude zu verstärken.

Die ausgewählten Spiele im IdeenSet bieten vielfältige sprachliche Anregungen und fordern die Kinder heraus, sich im Spiel sprachlich zu äussern. Wenn Kinder damit Schwierigkeiten haben, ist es die Aufgabe der Lehrperson, die Sprechabsichten im Dialog aufzugreifen und unterstützend zu modellieren, damit Sprechversuche zielführend sind und Kommunikation funktioniert. Im heilpädagogischen Kommentar sind aus diesem Grund Differenzierungshinweise aufgeführt, welche aufzeigen, wie eine Lehrperson unterstützend arbeiten kann.

Bedeutung von Spielen und Lernen

Das Konzept des spielorientierten Lernens hat im Bereich der Didaktik des offenen Unter-richts einen hohen Stellenwert und ist eine bewährte Möglichkeit zur Arbeit in heterogenen Lerngruppen (Heimlich, 2001, 173). Spielend Lernen entspricht den Lernbedürfnissen der Kinder und stellt eine wichtige Form von Selbsterfahrung und Weltaneignung dar (Warwitz & Rudolf, 2003, 83). Das Spiel eröffnet unterschiedliche Zugangsweisen und berücksichtigt ver-schiedene Lernvoraussetzungen (Heimlich, 2001, 174). Die Möglichkeit zu Spielen wirkt sich positiv auf die Motivation von Lernenden aus (Heimlich, 2001, 175; Warwitz & Rudolf, 2003, 83). Auch neurobiologisch gesehen ist das Spiel bedeutsam fürs Lernen. Einerseits nimmt während des Spielens die Aktivierung in Hirnregionen der Amygdala ab, was zu einer Ver-minderung von Angst führt. Andererseits werden dabei neuronale Netzwerke aktiviert, welche dazu führen, dass zu Wissensinhalten neue und kreative Ideen entwickelt werden können. Spielen unterstützt also die Entdeckung und Entfaltung von Potenzialen, wirkt befreiend und lustvoll (Hüther & Quarch, 2016, 19-20).

Lernspiele in der Spielentwicklung
Das Spiel ist im Kindesalter eine dominante Tätigkeit und daher sehr bedeutsam für die kindli-che Entwicklung (Schiefele, 2012, 49). Erfahrungen im Spiel sind wichtig und prägen die kindliche Entwicklung in den Bereichen der Wahrnehmung, Motorik, Kommunikation und Sprache. Durch die fortschreitende Entwicklung verändern sich die Spielformen und damit auch die zentralen Spielthemen. Die in der jeweiligen Phase gesammelten Erfahrungen sind Grundlage für die weitere Spielentwicklung. Diese umfasst das Funktionsspiel, das Konstruk-tionsspiel, das Rollenspiel und das Regelspiel (Schroer et al., 2016, 55-58).

 
Abbildung 3: Spielformen und Entwicklungsbereiche (Schroer et. al, 2016, 58).

Die erste Spielform ist das Funktionsspiel. Dabei kann ein Kind über Gegenstände funktio-nale Handlungen tätigen. Daran anknüpfend kommt das Konstruktionsspiel als neue Spiel-form dazu. Hier steht im Zentrum, Dinge zu erschaffen, zu sortieren und zu gestalten (z.B. Turm bauen). Als weitere Spielform dient das Rollenspiel (Schroer et al., 2016, 55-58). Im Rollenspiel ist die Symbolfunktion zentral, um erlebte und erfahrene Rollen der sozialen Wirk-lichkeit nachzugestalten (Mogel, 2008, 107). Durch die Erfahrungen in den genannten Spiel-formen entwickelt das Kind ein Regelverständnis. Dies führt zum Regelspiel. Das Regelspiel ist die zentrale Spielform bei Lernenden im Alter von 6 - 7 Jahren. Unter Regelspielen werden alle Spiele gezählt, bei denen vor dem Spielbeginn Spielregeln mit allen Mitspielenden verein-bart werden (z.B. Reihenfolge, Bedingungen). Folgende Kompetenzen sind Voraussetzungen für ein Regelspiel (Schroer et al., 2016, 109-110):
•    Exekutive Funktionen: Handlungsplanung, Selbstregulation (z.B. Regeln einhalten)
•    Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer (wird im Spiel angeregt und weiter ausgebaut)
•    Regelverständnis
•    Emotionsregulation, Frustrationstoleranz (z.B. Verlieren können)

Im IdeenSet sind aufgrund der Altersstufe und der damit verbundenen Entwicklungsphase vor allem Regelspiele zusammengestellt. Die Differenzierungsmöglichkeiten zu den Spielen er-möglichen auch andere Spielformen (z.B. Rollenspiel).

Lehrplanbezug

Im Lehrplan 21 (D-EDK, 2013) wird das Sprechen in folgende Untergruppen unterteilt:
•    Grundtechniken (A)
•    Monologisches Sprechen (B)
•    Dialogisches Sprechen (C)
•    Reflexion/ Strategien/ Ästhetik (D)

An folgenden Zielen des Lehrplans 21 orientiert sich das IdeenSet:

  • D.3 A: Grundtechniken: «Die Schüler und Schülerinnen können ihre Sprechmotorik, Artikulation, Stimmführung steuern. Sie können ihren produktiven Wortschatz aktivieren und erweitern» (D-EDK, 2013, 14).
    Hinweise: Zu den Grundansprüchen für die Zyklusstufe 1 zählt unter anderem, dass die Schüler und Schülerinnen über einen schulnahen Wortschatz verfügen (ebd., 14).
  • D.3. B: Monologisches Sprechen: «Die Schüler und Schülerinnen können sich in monologischen Situationen ausdrücken» (D-EDK, 2013, 15).
    Hinweise: Zu den Grundansprüchen für die Zyklusstufe 1 zählt unter anderem, dass die Lernenden über den Alltag in Standardsprache sprechen können, wenn sie durch Hilfsmittel (z.B. Bilder, vorgegebene Formulierungen) unterstützt werden (ebd., 15).
  • D.3. C: Dialogisches Sprechen: «Die Schüler und Schülerinnen können sich aktiv an einem Dialog beteiligen» (D-EDK, 2013, 17).
    Hinweise: Hierzu gehört, dass die Schüler und Schülerinnen auf Fragen in Sätzen antworten können. Auch das Einhalten von Gesprächsregeln ist hier einzuordnen. Hierzu gehört auch, dass die Schüler und Schülerinnen an einem Spiel teilnehmen können (z.B. mit einer vertrauten oder vorgegebenen Sprechrolle) (ebd., 17).

Weitere Hinweise

Auswahl der Medien
Das IdeenSet beinhaltet drei verschiedene Arten von Medien: Regelspiele, Wimmelbücher und Apps. Bei der Auswahl wurden folgende Kriterien berücksichtigt:
•    Die Materialien beachten den Aspekt der sozialen Interaktion.
•    Die Materialien berücksichtigen verschiedene Lernvoraussetzungen.
•    Die Materialien fordern die Kinder heraus, sich mitteilen zu wollen. Sprechfreude wird unterstützt und gefördert.
•    Die Materialien ermöglichen eine spielerische Auseinandersetzung mit dem Mittei-lungs- und Verstehenswortschatz.

Differenzierung nach Klafki
Möglichkeiten zur Individualisierung stellen einen wichtigen Punkt im IdeenSet dar. Um Unter-richt zu differenzieren, stellt sich die Frage in welchen Kriterien eine innere Differenzierung machbar ist (Klafki, 2007, 187). Innere Differenzierung kann in Hinblick auf die Unterrichts-phasen (A), auf die Schülerinnen und Schüler (B) und auf die Aneignungsebenen (C) ge-schehen. In der untenstehenden Tabelle wird ersichtlich, in welchen Kriterien der drei Dimen-sionen differenziert wird.

Abbildung 4: Dimensionen zur inneren Differenzierung (Klafki, 2007, 188)

Die ausgewählten Medien beziehen sich in der Aneignungs- bzw. Handlungsebene vor allem auf die Aufgabenerarbeitung oder die Festigung von Inhalten. In Hinblick auf die Aneignungs-ebenen befinden sich die Spiele auf konkreter oder sprachlicher Ebene. Bei den Differenzie-rungsaspekten hinsichtlich der Lernenden sind der Komplexitätsgrad, die Notwendigkeit direk-ter Hilfe/Grad der Selbstständigkeit sowie die Art der inhaltlichen oder methodischen Zugänge zentral. Wenn eine Differenzierungsmöglichkeit in einem dieser Be-reiche sinnvoll ist, wird im heilpädagogischen Kommentar darauf eingegangen.

Raster mit Erläuterung
Die ausgewählten Medien wurden mit folgendem Raster eingeschätzt. Die Kommentare er-läutern die Begriffe und geben einen Überblick über die Inhalte.

Literatur

  • Dannenbauer, Friedrich Michael (1997). Mentales Lexikon und Wortfindungsprobleme bei Kindern. Die Sprachheilarbeit 42, 4-21.
  • Danzer, Claudia; Kranzl- Greinecker, Martin & Krenn, Renate (Hrsg.) (2007): Sprechen ler-nen, Sprache finden. Kinder zur Sprachfähigkeit begleiten. Linz: Verlag der Fachzeitschrift unsere Kinder.
  • Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) (2016). Lehrplan 21. Deutsch. Verfügbar unter: https://v-fe.lehrplan.ch/lehrplan_printout.php?k=1&ekalias=0&fb_id=1&f_…
  • Glück, Christian (2007). Wortschatz- und Wortfindungstest für 6- bis 10-Jährige. WWT 6-10. München, Jena: Urban & Fischer.
  • Grimm, Hannelore; Weinert, Sabine (2002). Sprachentwicklung. In: Oerter, Rolf; Montada, Leo (Hrsg.). Entwicklungspsychologie (5. Aufl.) (517- 550). Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.
  • Heimlich, Ulrich (2001): Einführung in die Spielpädagogik. Eine Orientierungshilfe für sozial-, schul- und heilpädagogische Arbeitsfelder. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
  • Hellrung, Uta (2003): Sprachentwicklung und Sprachförderung. Ein Leitfaden für die Praxis. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder.
  • Hüther, Gerald; Quarch, Christoph (2016): Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als Funktionie-ren ist. München: Carl Hanser Verlag.
  • Klafki, Wolfgang (2007). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemässe Allge-meinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. Weinheim: Beltz.
  • Kleinschmidt-Bräutigam, Mascha (2015). Damit aus Wortschatz ein Schatz wird. Grund-schulunterricht Deutsch (4), 4-8.
  • Levelt, Willem (1989). Speaking. From Intention to Articulation. Cambridge, Massachusetts: MIT Press.
  • Luger, Veronika (2006). Versprecher. Voraussetzungen – Entstehung – Interpretation des mentalen Lexikons. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller.
  • Mayer, Andreas (2013). Gezielte Förderung bei Lese- und Rechtschreibstörungen (2. Aufl.). München, Basel: Ernst Reinhardt Verlag.
  • Mogel, Hans (2008). Psychologie des Kinderspiels. Von den frühesten Spielen bis zum Com-puterspiel (3. Aufl.). Heidelberg: Springer Verlag.
  • Reber, Karin; Schönauer- Schneider, Wilma (2009). Bausteine sprachheilpädagogischen Unterrichts. Praxis der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik. München: Ernst Reinhardt.
  • Schiefele, Christoph (2012). Die Bedeutung von Alltags- und Spielformaten für die Erweite-rung sprachlich-kommunikativer Fähigkeiten. Eine empirische Vergleichsstudie über vier Kin-der. Freiburg: Centaurius Verlag & Media KG.
  • Schroer, Barbara; Biene-Deissler, Elke & Greving, Heinrich (2016): Das Spiel in der heilpä-dagogischen Arbeit. Stuttgart: Kohlhammer GmbH.
  • Ulrich, Winfried (2010). Wörter Wörter Wörter. Anleitung und praktische Übungen mit 204 Arbeitsblättern in Form von Kopiervorlagen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengeh-ren.
  • Warwitz, Siegbert; Rudolf, Anita (2003): Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. Hohengehren: Schneider Verlag.
  • Wendtlandt, Wolfgang (2011): Sprachstörungen im Kindesalter. Materialien zur Früherken-nung und Beratung. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

Abbildungen:

  • Abbildung 1: Zwei Ebenen-Modell des mentalen Lexikons nach Levelt (1989) (Glück, 2007,3)
  • Abbildung 2: Modell eines Lexikoneintrags (Reber & Schönauer-Schneider, 2009, 96 in Anlehnung an Luger, 2006, 30)
  • Abbildung 3: Spielformen und Entwicklungsbereiche (Schroer et. al, 2016, 58).
  • Abbildung 4: Dimensionen zur inneren Differenzierung (Klafki, 2007, 188)