09.04.2020: Es ist 10:00 Uhr am Donnerstagvormittag in Woche 1 der neuen Zeitrechnung (Beginn Lockdown). Ich versuche, die passenden Zeitfenster zwischen Kindergeschrei (im Hintergrund) und Telefonkonferenzen (im Vordergrund) zu finden, um meine Module zu podcasten.
Es wird irgendwie gelingen (müssen), dass die Studierenden die im Studienplan formulierten Kompetenzen erreichen. Mithilfe passender Filme, Arbeitsaufträge und Denkanstösse sehe ich für inhaltsbezogene Kompetenzen wenig Probleme. Schwieriger wird es beispielsweise, wenn es darum geht, die sprachlichen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Wie mache ich das, wenn eigentlich das Französischseminar auch dazu dient, gemeinsam in der Zielsprache (also auf Französisch) zu sprechen und so die Sprachkompetenzen weiterzuentwickeln? Eine Telefonkonferenz mit 35 Studierenden stelle ich mir anstrengend bis unmöglich vor.
Die Lehrpersonen, mit denen ich mich ausgetauscht habe und die Fremdsprachen in Zyklus 2, Zyklus 3 oder an weiterführenden Schulen unterrichten, bieten ihren Schülerinnen und Schülern kleine „Sprech“-zeitfenster via Skype an. Oder sie lassen sich whatsapp- Sprachnachrichten schicken, anhand derer sie bspw. die Aussprache ihrer Lernenden formativ beurteilen.
Sie klagen aber darüber, dass sie insbesondere diejenigen Kinder nur schwer erreichen, deren Eltern nicht wirklich helfen können – sei es, weil die deutsche Sprache ein Hindernis darstellt, sei es, weil die Eltern Arbeit und Kinderbetreuung fast nicht unter einen Hut bekommen.
Natürlich gibt es hierfür keine Rezepte. Diese Situation ist für uns alle neu. Aber es könnte eine schöne und wertschätzende Idee sein, dass die Eltern und Kinder, deren Erstsprache weder Deutsch noch eine schulisch gelernte Fremdsprache ist, ihre Herkunftssprache der Klasse und der Lehrperson ihres Kindes etwas näher bringen. Der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Kleine Sprach- oder Textnachrichten sind denkbar, in denen zum Beispiel Rezepte aus den Herkunftsländern für die Coronazeit vorgeschlagen werden. Oder Videos, in denen ein Bilderbuch in einer anderen Sprache erzählt wird. Oder die Kinder erhalten den Auftrag, ihren Mitschülerinnen und Mitschülern 10 Wörter oder die Zahlen von 1-10 in ihrer Herkunftssprache beizubringen – und erstellen vielleicht einen kleinen Lernfilm dazu.
Das beiliegende Video gibt einen kleinen Einblick in Mini-Sprachkurse im Zyklus 1 (wobei diese hier zwar analog durchgeführt, mit den oben beschriebenen Massnahmen aber vielleicht ins Digitale übertragen werden können) und in den Anfang eines Bilderbuches, das zwei meiner Studierenden in ihren Herkunftssprachen erzählen.
Vielen Dank an Simon Gysin (Portugiesisch) und Lukas Kozelka (Tschechisch) für den Einblick in ihre Herkunftssprachen!
Quelle Video:
- Braun, Gisela & Wolters, Dorothee (2006). Melanie und Tante Knuddel. Köln: Mebes & Noack.
- Bildungsdirektion des Kantons Zürich (2010). Sprachenportfolio konkret. Ein Film zum Europäischen
Über die Autorin
Simone Ganguillet ist Dozentin Mehrsprachigkeit und Französisch am Institut Vorschulstufe und Primarstufe der PHBern und ehemalige Primarlehrerin.