Psychobiologische Auswirkungen von Unterrichtsstörungen auf Lehrpersonen (PAUL)

Eine multimodale Feldstudie mit Fokus auf die Lehrer-Schüler-Interaktion (SNF Projekt Nr. 100019_185484). 

Unterrichten ist anspruchsvoll. Lehrpersonen fühlen sich besonders durch Unterrichtsstörungen belastet und nennen diese auch als Hauptmotiv für den Berufsausstieg sowie eine frühzeitige Pensionierung. Bisher wurde in der pädagogisch-psychologischen Forschung Stress im Lehrberuf meist nur über Fragebogen erhoben. Wir erfassen den Arbeitsalltag von Lehrpersonen und erheben dabei auch biologische Stressreaktionen von Lehrpersonen.

Psychobiologische Auswirkungen von Unterrichtsstörungen auf Lehrpersonen (PAUL)

Eine multimodale Feldstudie mit Fokus auf die Lehrer-Schüler-Interaktion

Lehrpersonen erkranken überdurchschnittlich häufig an psychischen Störungen und psychosomatischen Krankheiten. Dabei erleben sie Störungen des Unterrichts durch Schülerinnen und Schüler (im Folgenden «Unterrichtsstörungen») als einen vordringlichen Belastungsfaktor. Unterrichtsstörungen werden von Lehrpersonen auch als Hauptmotiv für den Berufsausstieg sowie eine frühzeitige Pensionierung genannt. Diese Befunde stützen sich in erster Linie auf Lehrerselbstauskünfte. Objektive Arbeitsbedingungen und physiologische Stressreaktionen von Lehrpersonen auf akute Stressereignisse im Unterricht wurden dagegen bisher kaum erforscht. Das Ziel dieser erziehungswissenschaftlichen Feldstudie ist die Erfassung eines Arbeitstages und eines freien Tages bei 44 Lehrpersonen mit Fokus auf die Lehrer-Schüler-Interaktion im Unterricht und den Alltag danach. In einem Ambulatory Assessment Design mit ergänzenden Follow-up Erhebungen sollen durch die multimodale Erfassung des psychischen Stresserlebens, biologischer Stressreaktionen sowie der im Unterricht auftretenden Störungen durch unabhängige Beobachter folgende Fragestellungen beantwortet werden:

Fragestellungen

  1. Wie variiert die Stressbelastung von Lehrpersonen intraindividuell und interindividuell zwischen Arbeitstagen und freien Tagen, im Tagesverlauf sowie in Abhängigkeit von Aktivitätsklassen?
  2. Welche Formen aggressiver und nicht aggressiver Unterrichtsstörungen sind bei Lehrpersonen mit physiologischen Stressreaktionen verbunden? Wie wirken sich akute Stressreaktionen der Lehrperson und ihr damit assoziiertes Unterrichtshandeln auf das weitere Störverhalten der Schüler und die Interaktion im Unterricht aus?
  3. Wie beeinflussen allgemeine Belastungen und Ressourcen der Lehrperson ihre akuten Stressreaktionen, ihr Unterrichtshandeln bei Störungen sowie ihre Einschätzung der Lehrer-Schüler-Beziehung? Welche kurz- und längerfristigen Konsequenzen ergeben sich aus einer erhöhten Lehrerbelastung für die Lehrperson, die Lernenden und den Unterricht?

Methoden

  1. Eingangserfassung der Lehrerbelastung und Ressourcen über Fragebogen sowie Messung der Haarcortisolkonzentration, des Ruheblutdrucks und des Body Mass Index BMI. Erfassung der Unterrichtsstörungen, Lehrer-Schüler-Beziehung und Klassenführung aus Lehrer- und Schülersicht.
  2. Erfassung von Stress bei Lehrpersonen an Arbeitstagen und freien Tagen, vom Aufstehen bis abends um 20.00 Uhr, in einem Ambulatory Assessment Design: a.) Kontinuierliche Erfassung des EKG-Signals zur Ermittlung der Herzrate HR und Herzratenvariabilität HRV. b.) Erfassung physiologischer Stressindikatoren (Cortisol und Alpha-Amylase im Speichel) im Tagesverlauf über acht Messzeitpunkte. c.) Erfassung des psychischen Stresserlebens im Tagesverlauf über fünf Messzeitpunkte.
  3. Unterrichtsvideografie, systematische Beobachtung und Kodierung aggressiver und nicht aggressiver Unterrichtsstörungen.
  4. Longitudinale Follow-up Messungen mit einem kurzen Lehrer- (Fehltage, körperliche Symptome etc.) und Schülerfragebogen (Motivation, Klassenführung, Lehrer-Schüler-Beziehung) sowie Erfassung des BMI und des Ruheblutdrucks der Lehrperson nach 6, 12 und 24 Monaten.

Die Bedeutung des Projektes für Schule und Ausbildung

Die geplante Studie soll einen Beitrag zur primären und sekundären Stressprävention bei Lehrpersonen leisten. Durch Unterrichtsstörungen ausgelöste kurzfristige physiologische Stressreaktionen können potenziell langfristig zu körperlichen Beanspruchungsfolgen führen und sich negativ auf die Lehrergesundheit und die Qualität des Unterrichts auswirken. Erkenntnisse über psychische und physiologische Reaktionen von Lehrpersonen auf Belastungen im Unterricht sensibilisieren Lehrpersonen für ungünstiges Belastungserleben und geben wertvolle Hinweise für eine gesundheitsförderliche Schulentwicklung. Weiter können physiologische Masse in der Lehrerberatung und für Stress-reduzierende Interventionen genutzt werden.